Walk of fame
... von Dr. Anton Gugg
Nichts braucht der Mensch dringender als Bilder, zu denen er aufschauen kann – möglichst in ritualisierter Form. Nach diesem fundamentalen, im Grunde masochistischen Prinzip funktioniert die westliche Gesellschaft im Kern. Nennen wir es Religion, nennen wir es Kunst, nennen wir es musische Unterhaltung oder Spitzensport. Überall gibt es eine unnahbare Zentralgestalt und das daran geknüpfte Gesetz der Unterwerfung. Auch Verehrung gleichgültig in welcher Art und Weise, ist ein Demutsverhalten vor einem Altar, einem Postament, einer Rockbühne oder der Filmleinwand.
Dem Starprinzip ist nicht zu entkommen. Und dass es im Westen diesbezüglich nichts Neues gibt, kommt einem Künstler wie Ruben R. Baumgartner zuerst einmal sehr entgegen. Er weiß dass die Erotik berühmter Gesichter – gleichgültig aus welcher Sphäre auch immer – nicht so leicht verblasst, das den Ikonen aus Rock, Pop und Kinotop ein Hauch von Ewigkeit innewohnt . eine Aura, die sie in die Nähe von Heiligenbildern und Statuen rückt. Genau die Grenze zwischen Zeitresistenz und dem Grenzbereich, in dem sich die Magie der scheinbar einmaligen, unwiederholbaren Persönlichkeit ins normal Menschliche, das heißt, ins Unauffällige verflüchtigt, interessiert dem Maler ganz besonders. Alles, was in der Ausstellung und dem dazugehörigen Buch zu sehen ist, ist eigentlich ein einziger Test, um Halbwertszeit und vielleicht auch Verfallsdatum der Kultgesichter festzustellen, die wir alle so sehr lieben, die wie vertraute Inventarstücke zu unserem Leben gehören.
Ruben R. Baumgartner hat sich für schwierige Objekte entschieden, denn viele dieser klassischen Vissagen sind auch von anderen Künstlern behandelt worden. Man hat sir totfotografiert und totgemalt und viele sind ganz einfach totgegafft. Unseren Maler hat dies nicht weiter gestört, denn er wollte sie ja nicht in ihrer Maskenartigkeit wiederbeleben oder gar zu unverrottbaren visuellen Gebrauchsartikel stylen es wie die Popkunst kommerziell höchst erfolgreich getan hat. Das Gegenteil ist der Fall. Unserem Maler kam es darauf an, die Endlichkeit von Gesichtern aufzuzeigen und dafür hat er eine ganz spezielle, sehr aufwändige Technik entwickelt, die an sich der uralten Methode der Hinterglasmalerei anlehnt.
Mehrschichtigkeit ist das Geheimnis der Bildwirkung, die man so, auf diese Weise noch nicht kennt. Der Betrachter hat also mehr zu tun, als eine glatte Bildfassade abzutasten und sich sozusagen ein simples Portrait Klischee hineinzuziehen. Der Blick dringt unter die Oberfläche, wird von den Farbschichten reflektiert. Das heute auf schnellen Konsum trainierte Auge wird also verunsichert, aktives Betracherverhalten ist gefordert.
Die Ruhmesgalerie des Ruben R. Baumgartners hat etwas durchaus Morbides an sich, etwas, was auf Veränderlichkeit des Menschen und auf Sterblichkeit auch der Prominenz hinweist. Marilyn, James, Marlene, Humphrey, Gary und wie sie alle heißen, zeigen Falten und andere Verfallserscheinungen. Sie verwittern zur Menschlichkeit, sind besonders einsam in ihrem Annäherungsprozess an die Unkenntlichkeit. Es sind eigentlich eher „Nachbilder“, die uns dieser Maler vor Augen führt – als Gemälde oder als Monotypie, deren Wesen es ist, einmaliger Abdruck, man könnte auch sagen, Abklatsch, eines Originals zu sein. Der Künstler holt sich sein Material aus dem Internet, dem Bilderpool immerwährender Verfügbarkeit. Aber er präpariert die Daten nicht, sondern entstellt sie im künstlerischen Sinn des Wortes.
Es ist ein besonderer Walk of Fame“, auf den wir uns begegnen, auf dem sich die Lieblinge der Massen bewegen und das bekannte Filmzitat „Schau mir in die Augen, Kleines“, hat hier keinen frivolen, sondern einen sehr melancholischen Klang. Ruben R. Baumgartner hat hier ganz besondere Denkmäler geschaffen und sie verdienen es, mit besonderer Aufmerksamkeit und Respekt vor dem sprichwörtlichen Zahn der Zeit betrachtet zu werden. Es ist keine Ausstellung für Poster-Fans. Sondern eher für eine Sorte raffinierter Friedhofsgeher, die den Reiz bestimmter Fotografien und Statuen zu schätzen wissen. Menschen sehen uns an. Es sind entrückte Wesen, die zwischen Bekanntheit und Anonymität spazierengehen.
Dr. Anton Gugg, 01.August 2002